Frage: Was war das Besondere an der Stadtverfassung von Nauvoo?

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Frage: Was war das Besondere an der Stadtverfassung von Nauvoo?

Was war das Besondere an der Stadtverfassung von Nauvoo? Warum hat sie einige Nichtmormonen zum Zorn gereizt?

Um die Stadtverfassung von Nauvoo zu verstehen, müssen wir zuerst die Geschichte, die ihr vorausging betrachten. Wir beginnen mit der Inhaftierung von Joseph Smith im Gefängnis von Liberty

Gefängnis von Liberty

9. April 1839
Ein Schwurgericht klagt Joseph Smith und andere wegen „Mord, Hochverrat, Raub, Brandstiftung und Diebstahl” an. [1] Während des Transports der Gefangenen aus dem Gefängnis von Liberty in einem anderen Landkreis, verschwören sich Richter, Scheriff und Wachen, ihnen die Flucht zu erlauben, vielleicht weil der Staat das Gefühl hatte, dass sie keine Verurteilung erreichen konnten.
20. April 1839
Vollendung der Evakuierung der Heiligen aus Missouri nach Illinois.
22. April 1839
Joseph und seine Begleiter treffen mit den Heiligen in Quincy, Illinois, zusammen.

Nauvoo

1. Mai 1839
Joseph Smith tätigt die ersten Landkäufe in Commerce (später Nauvoo), Illinois.
Oktober 1839
Ein Hoher Rat und eine Pfahlpräsidentschaft für Nauvoo werden berufen.

Versuche, Schadenersatz für die Verfolgungen in Missouri zu bekommen

28. November 1839
Elias Higbee und Joseph Smith treffen in Washington D.C: ein, um Schadenersatz für die Verfolgungen in Missouri einzufordern.
29. November 1839
Joseph und Elias treffen mit Präsident Martin Van Buren zusammen.
Anfang Februar 1840
Joseph und Elias treffen wieder mit Präsident Van Buren zusammen und ihnen wird gesagt: „Ihre Sache ist gerecht, doch ich kann nichts für Sie tun.”
4. März 1840
Joseph trifft von Washington her wieder in Nauvoo ein.

Die Bemühungen, in Washington Schadenersatz zu erhalten, waren gescheitert. Einem heutigen Leser erscheint es ganz klar, dass die Bundesregierung der USA hätte in der Lage sein müssen, einzugreifen, um die Ungerechtigkeiten, die die Heiligen in Missouri erfahren hatten, in Ordnung zu bringen. Doch waren solche Dinge damals noch nicht ganz klar. Viele politische Führer (besonders solche aus dem Süden) waren der Meinung, solche Dinge sollten den staatlichen Mächten überlassen werden.

Es ist ganz klar, dass Joseph Smith dafür war, die Macht der Verfassung der USA auszuweiten, um den Schutz von verfolgten Minderheiten zu ermöglichen:

Ich bin der größte Befürworter der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika, den es auf der Welt gibt ... Der einzige Fehler, den ich an der Verfassung sehe ist, dass sie nicht weit genug gefasst ist, um alles abzudecken.
Obwohl sie vorsieht, dass alle Menschen religiöse Freiheit genießen, stellt sie weder die Mittel zur Verfügung, durch die diese Freiheit bewahrt werden kann, noch eine Strafe für jene Regierungsbeamte, die sich weigern, die religiösen Rechte der Menschen zu schützen, oder jene Pöbelhaufen, Staaten oder Gemeinschaften zu bestrafen, die die Rechte der Menschen wegen ihrer Religion beeinträchtigen. Ihre Absicht ist gut, doch sie sorgt nicht für die Mittel, um sie durchzusetzen.[2]

Ja, die ganze Debatte darüber, wozu die Bundesregierung die Staaten zwingen und wozu sie sie nicht zwingen kann, wurde erst später durch den Bürgerkrieg entschieden. Die Mormonen waren zu früh und, ehrlich gesagt, nicht genügend populär, um die Angelegenheit bis zu diesem Punkt voranzutreiben. Josephs Sichtweise setzte sich schließlich durch: Der 14. Verfassungszusatz, der nach dem Bürgerkrieg beschlossen wurde, gab allen naturalisierten oder geborenen Amerikanern „die Staatsbürgerschaft” sowohl in ihrem Staat als auch in den Vereinigten Staaten und sorgte für folgendes:

Keiner der Einzelstaaten darf Gesetze erlassen oder durchführen, die die Vorrechte oder Freiheiten von Bürgern der Vereinigten Staaten beschränken, und kein Staat darf irgend jemandem ohne ordentliches Gerichtsverfahren nach Recht und Gesetz Leben, Freiheit oder Eigentum nehmen oder irgend jemandem innerhalb seines Hoheitsbereiches den gleichen Schutz durch das Gesetz versagen. [3]

Nauvoo und die Verfassungserstellung

14. September 1840
John C. Bennett, Quartiermeister von Illinois, kommt in Nauvoo an, wird getauft und beginnt dabei zu helfen, eine Stadtverfassung zu entwerfen.
16. Dezember 1840
Die Stadtverfassung von Nauvoo, die Statuten der Nauvoo Legion und die Statuten der Universität von Nauvoo werden von der gesetzgebenden Versammlung von Illinois mit geringer Diskussion verabschiedet.

Die Demokraten, die die mormonischen Siedler ursprünglich willkommen hießen, hofften vielleicht durch die Tendenz zu einheitlichem Abstimmen das Kräftegleichgewicht im Staat zu ihren Gunsten zu beeinflussen (ein Abgeordneter bemerkte sarkastisch, die Verfassung sollte in „Gesetz zur Ermutigung des Imports von Mormonen” umbenannt werden [4]). In Anbetracht der möglichen politischen Macht der großen Zahl von Zuwanderern, waren die Politiker des Staates besonders hilfsbereit in Sachen Stadtverfassung, wie B.H. Roberts bemerkte:

Das Bemühen die Heiligen für die eine oder andere politische Partei zu gewinnen war in ihren Angelegenheiten dauernd ein Faktor, so lange sie in Nauvoo blieben. Es ist wohl dieser Rivalität verdanken, dass die Heiligen mehr Rechte in ihrer Stadtverfassung und weitergehende politische Privilegien und Einfluss erlangen konnten, als es sonst möglich gewesen wäre. Es ist auch auf diese Rivalität um ihre Gunst zurückzuführen, ... dass sie abwechselnd übertrieben umschmeichelt und andererseits von Herzen verabscheut wurden, speichelleckend umworben und bösartig betrogen. [5]

Rechte der Verfassung

Die Stadtverfassung von Nauvoo verlieh der Stadt große Freiheiten. Das Oberhaupt der Exekutive war der Bürgermeister. Ihm standen vier Stadträte und neun Stadtverordnete zur Seite. Der Bürgermeister und die Stadträte waren auch Richter im Stadtgericht. Die Verfassung wies also nicht die strikte Machtenteilung auf, die wir heute als angemessen betrachten, was aber für jene Zeit nicht ungewöhnlich war. Es gab fünf weitere Stadtverfassungen, die vom Staat vor jener für Nauvoo verliehen worden waren. Ein Vergleich ist hilfreich: [6]

Eigenheiten der Stadtverfassung von Nauvoo verglichen mit anderen Stadtverfassungen in Illinois
Stadtverordnete und Stadträte Andere Städte hatten allgemein nur das eine oder das andere.
Keine Wartezeit für die Teilnahme an der Stadtregierung (wahrscheinlich wegen der großen Zahl von Zuwanderern aus Kanada und von Großbritannien) Andere Städte verlangten, dass ihre Regierenden amerikanische Staatsbürger waren mit der Auflage, dort wohnhaft zu sein.
Kann jedes Gesetz beschließen, das nicht der US Verfassung oder der Verfassung von Illinois widerspricht Galena, Quincy, und Springfield hatten ähnliche Möglichkeiten.
Gesetzgebende Macht im Stadtrat Fast identisch wie Springfield und Quincy
Vorhandensein eines städtischen Gerichts Alton und Chicago hatten ebenfalls Gerichte
Stadtgerichte können Vorführungsbefehle zur Haftprüfung erlassen Die Verfassung von Alton gibt der Stadt ebenfalls dieses Recht.
Der Bürgermeister ist der Hauptrichter des Stadtgerichts. Die Stadträte sind Beisitzer. In anderen Verfassungen nicht vorhanden
Gegen Gerichtsentscheidungen kann vor dem Gericht des Kreises Hancock Berufung eingelegt werden. (Das ist eine größere Einschränkung als in den anderen Stadtgerichten)) Andere Städte hatten mehr Macht: Chicago und Alton waren den Kreisgerichten gleichwertig und nicht untergeordnet. Berufungen gingen direkt an das Oberste Gericht von Illinois.

Es soll beachtet werden, dass die Verfassung von Nauvoo ähnlich anderen verliehenen Verfassungen war und dass sie durch die Regierung des Staates Illinois verliehen wurde. Die Mormonen haben sich nicht einfach dieses Recht genommen.

Nach der Verfassung

1. Februar 1841
John C. Bennett wird zum Bürgermeister von Nauvoo gewählt. Joseph Smith, Sidney Rigdon, Hyrum Smith und William Marks werden zu Stadträten und Stadtverordneten gewählt.
3. Februar 1841
Die Nauvoo Legion wird gegründet. Diese Miliz stand unter dem Oberbefehl des Bürgermeisters, während es sonst üblich war, dass die Miliz auf Kreisebene kontrolliert wurde. Zwar war die Nauvoo Legion dem Gouverneur unterstellt, doch stand die innere Organisation und die Verfahrensweisen unter der Aufsicht der Stadt Nauvoo. Joseph wurde vom Staat Illinois als Generalleutnant bestätigt, was einen recht hohen Rang darstellte (bis 1847 war sonst nur George Washington der einzige mit diesem Rang). Später wurde den Offiziellen des Staates erst bewusst, dass nur ein Gericht aus solchen mit gleichem oder einem vergleichbaren Rang gegen ihn ein Kriegsgericht führen oder ihn auf andere Weise aus dem Amt entfernen konnten. Sie hatten ihm also im Prinzip lebenslange Kontrolle über die Stadtmiliz eingeräumt!

Nochmals soll betont werden, das sich Joseph den Rang nicht selbst anmaßte, er wurde ihm von der Legislative des Staates verliehen.

Der Abfall von John C. Bennett

Mai 1842
John C. Bennett wird vor ein Kirchengericht gestellt. Er gesteht „böses und zügelloses Verhalten gegenüber bestimmten weiblichen Personen in Nauvoo” [7] und dass er in der Vergangenheit Frauen, die er als Arzt behandelte, missbraucht habe. Er könnte auch Abtreibungen vorgenommen haben.[8] Er hat auch ein Bordell regelmäßig besucht, vielleicht sogar betrieben.[9] (Dabei war Bennett nicht alleine. Mit seiner Ermutigung hatten auch Chauncy und Francis Higbee an unmoralischen Handlungen teilgenommen und wurden dafür bestraft. Später schrieben sie im Nauvoo Expositor Angriffe gegen Joseph Smith.)

Orson F. Whitney schreibt dies über Bennett:

Im Mai 1842 wurde der Verrat und die Schurkerei eines Mannes, den die mormonischen Führer in Freundschaft aufgenommen und mit Ehren überhäuft hatten, seinen Wohltätern bekannt. Dieser Mann war Dr. John C. Bennett, Bürgermeister von Nauvoo, Kanzler der Universität und Generalmajor der Nauvoo Legion. Er hatte die Heiligen kurz nach deren Exodus aus Missouri kennengelernt. Obwohl er ein großer Egoist war, war er ein gebildeter, fähiger und gewandter Mann. Dass er wenige oder gar keine Grundsätze hatte, war nicht unmittelbar zu sehen. Da er als Diplomat betrachtet werden kann und einigen Einfluss in politischen Zirkeln hatte, leistete er wertvolle Hilfe dabei, die Stadtverfassung von Nauvoo durch die Legislative von Illinois zu bringen. Daher ehrten ihn die Mormonen so. Davor und danach war er Generalquartiermeister von Illinois. Bennett gab große Sympathie für die Heiligen vor. Er schloss sich der Kirche an und schien ein ernsthafter Bekehrter zum Glauben zu sein.
In seiner Geschichte von Illinois stellt Gouverneur Thomas Ford Bennett als „vielleicht den größten Schuft im Westen” dar. Doch das ist den Mormonen erst bewusst geworden, als sie dreimal zum Opfer seiner Schurkerei geworden waren. [10]

Der Morderversuch an Liburn Boggs

6. Mai 1842
Ein unbekannter Attentäter schießt durch dessen Fenster auf den früheren Gouverneur von Missouri, Boggs und verwundet ihn schwer. Später ermutigt John C. Bennett Boggs die Mormonen dafür anzuklagen, dass sie angeblich daran beteiligt waren.
8. August 1842
Ein Haftbefehl gegen Joseph Smith wird ausgestellt, verbunden mit einem Auslieferungsantrag für Joseph Smith mit der Beschuldigung, am Mordversuch an Boggs beteiligt zu sein. Die Anklage lautet, er sei ein Komplize vor der Tat und habe Orrin Porter Rockwell zur Tat angestiftet. Joseph konnte ganz leicht beweisen, dass er am Tag des Attentats in Illinois, Hunderte Kilometer von Missouri entfernt gewesen war und er wird aufgrund von „Habeas Corpus” freigelassen.
1. September 1842
Lehre und Bündnisse 127 in Briefform von Joseph, der sich versteckt, um zu verhindern dass noch weitere Haftbefehle ausgeführt werden.
6. September 1842
Lehre und Bündnisse 128 als Brief von Joseph, der sich immer noch versteckt.
Dezember 1842
Der oberste Gerichtshof von Illinois findet, dass die Zurückweisung des Haftbefehls des Gouverneurs ungesetzlich gewesen sei. Dennoch ging Joseph vor ein Bundesgericht um den Haftbefehl nochmals prüfen zu lassen und dieses Gericht fand, dass der Haftbefehl unbegründet war, da er über die Aussagen von Boggs, die er in seiner eidestattlichen Erklärung abgegeben hatte, hinausgingen. Die Legislative von Illinois überlegt den Widerruf der Stadtverfassung von Nauvoo, unternimmt jedoch nichts.
Februar 1843
Joseph Smith kündigt an, dass er für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten kandidieren will.
Juni 1843
Missouri versucht nochmals, eine Auslieferung von Joseph Smith zu erreichen, um ihn vor Gericht zu stellen. Joseph Smith kommt nach Nauvoo und wird von einer jubelnden Menge empfangen und erhält vom Stadtgericht von Nauvoo wieder einen „habeas corpus” Brief. Der Stadtrat machte es anschließend ungesetzlich, Joseph Smith innerhalb von Nauvoo festzunehmen und gab dem Bürgermeister (seit dem Kirchenausschluss von Bennet war dies Joseph Smith) die Vollmacht, jeden Haftbefehl von außerhalb zu bestätigen. Das verstärkte nur das Gefühl der Nichtmormonen, dass Joseph in seiner Hand religiöse und politische Macht zu dem Zweck vereinte, um sich „außerhalb des Gesetzes” zu stellen.

Die Fortsetzung bis zum Tod von Joseph Smith findet sich unter Nauvoo Expositor


Die Stadtverfassung gab der Stadt Nauvoo große Macht, doch in dieser Hinsicht war sie nicht einzigartig, die anderen Stadtverfassungen in Illinois waren ähnlich. Das Gerichtssystem in Nauvoo war eingeschränkter, da es im Unterschied zu anderen Städten der Oberaufsicht des Kreisgerichts unterstand.

Die Macht, die Nauvoo verliehen war, hatten sich die Heiligen nicht einfach angeeignet, sondern sie wurde gemäß dem Gesetz verliehen und hätte von der Legislative auch rechtmäßig widerrufen werden können. Leider führte der Versuch von Antimormonen und Abgefallenen, das Recht in die eigene Hand zu nehmen dazu, dass Joseph und Hyrum ermordet wurden und dass die Heiligen schließlich Illinois und die Vereinigten Staaten verließen.


Endnoten

  1. Joseph Smith, History of The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints, 7 Bände, herausgegeben von Brigham H. Roberts, (Salt Lake City: Deseret Book, 1957), 3:423. BYU Studies link
  2. Joseph Smith, History of The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints, 7 Bände, herausgegeben von Brigham H. Roberts, (Salt Lake City: Deseret Book, 1957), 5:55–56. BYU Studies link
  3. U.S. Constitution, Amendments, Article XIV, Link
  4. Edwin Brown Firmage and Richard Collin Mangrum, Zion in the Courts : a Legal History of the Church of Jesus Christ of Latter-day Saints, 1830–1900 (Urbana and Chicago: University of Illinois Press, 1988), 133. ISBN 0252069803.
  5. Joseph Smith, History of The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints, 7 Bände, herausgegeben von Brigham H. Roberts, (Salt Lake City: Deseret Book, 1957), 4:xxi. BYU Studies link
  6. Derived from Zioncourts|start=85|end=onward}}
  7. Joseph Smith, History of The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints, 7 Bände, herausgegeben von Brigham H. Roberts, (Salt Lake City: Deseret Book, 1957), 5:18–19. BYU Studies link
  8. Susan Easton Black, Who’s Who in the Doctrine and Covenants (Salt Lake: Deseret Book, 1997), 14; see also Zeruiah N. Goddard, affidavit, August 28, 1842 in Affidavits and Certificates, Disproving the Statements and Affidavits Contained in John C. Bennett's Letters (Nauvoo, no publisher, 31 August 1842); cited by Danel W. Bachman, “A Study of the Mormon Practice of Polygamy Before the Death of Joseph Smith,” (1975) (unpublished M.A. thesis, Purdue University), 225.
  9. Bachman, “Polygamy Before the Death of Joseph Smith,” 225; citing L.D. Wasson to Joseph Smith, 29 July 1842 in Times and Seasons 5:891-892.
  10. Orson F. Whitney, History of Utah, 4 volumes, (Salt Lake City: George Q. Cannon and Sons Co., 1892-1904), 1:193–194; cited in Roy W. Doxy, Latter-day Prophets and the Doctrine and Covenants, Volume 4, (Salt Lake City: Deseret Book, 1978), 255–257.